Das Ende im Blick

Letzte Woche wurde Hartmut, einer meiner Pastorenkollegen, nach 23 Jahren in unserer Gemeinde mit Ehren und Respekt in den Ruhestand verabschiedet. Es gab ein Fest voll Dankbarkeit und Wertschätzung für seinen Dienst als Pastor und seinen Einsatz für Jesus. Was bleibt nach 39 Jahren Einsatz als Pastor?

Die Frage Ruhestand ist für mich gerade nicht aktuell und präsent, obwohl diese Verabschiedung auch bei mir Fragen aufwirft. Zusätzlich habe ich diese Woche Post von der Renten-Versicherung bekommen.

Wie will ich verabschiedet werden? Was soll erwähnt werden? Was möchte ich erreicht haben? Wofür möchte ich bekannt sein? Was soll zur Sprache kommen? Wer soll dabei sein und wie viele? Und wer darf nicht fehlen?

Stephen R. Covey beschreibt diese Fragestellungen in seinem Klassiker und must read-Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“ als den 2. Weg, unter der Formulierung „Schon am Anfang das Ende im Sinn haben“. Ausgangspunkt ist hier allerdings nicht die Verabschiedung in den Ruhestand, sondern die eigene Beerdigung. Man soll sich fragen, wer da sein soll und was die Personen über mich sagen sollen. Was zählt dann wirklich? Was will man erreicht haben? Was für eine Person will man sein? Davon ausgehend entwickelt man ein Leitbild, eine Vorstellung, eine Richtung, einen Kompass fürs eigene Leben.

Sein Prinzip lässt sich auch auf kleinere und mehr abgegrenzte Bereiche anwenden. Eine typische Frage, die ich dazu in vielen Teamtrainings verwendet habe, lautet: „Stell dir vor, in zwei Tagen sitzt du wieder zu Hause und schaust auf dieses großartige Training zurück. Was ist in diesen zwei Tagen passiert?“ Und auch: „Was ist nicht passiert?“ Oder zur Selbstreflexion: „Wie fühlt es sich an, das Projekt abzuschließen? Wie wird es mir dann gehen?“

Zurück zur Frage, wie ich meine Zeit als Pastor beenden möchte. Drei Gedanken gehen mir dabei nicht aus dem Kopf:

  1. Bill Hybels war der erste Pastor, bei dem ich diese Frage gelesen habe. Er schrieb damals, dass man eines Tages den Schlüssel der Gemeinde abgeben und zum Parkplatz gehen wird, egal, wie groß oder erfolgreich oder was auch immer die Gemeinde ist. Und man solle darauf achten, dass man dann noch ein Leben außerhalb der Gemeinde und eine Familie hat. Leider kam es bei ihm so, dass er seine Gemeindeschlüssel schneller als geplant abgeben musste und ich hoffe, dass er seine Familie noch hat.
  2. Noch zugespitzter formuliert Peter Scazzero in seinem Buch „Emotional gesund leiten“ die Notwendigkeit, seinen Fokus als Pastor nicht nur auf die Gemeinde zu legen, in einem Dialog mit seiner Frau. Ansprache seiner Frau: „‚Pete, du hältst dich für unersetzlich. Warte nur ab: Es dauert kein halbes Jahr und sie haben dich vergessen.‘ Sie lag falsch. Die meisten Leute hatten mich schon vergessen, bevor ich meinen Posten als Hauptpastor offiziell abgegeben hatte.“ S.269
  3. Mein Kollege Hartmut saß letztes Wochenende bei seiner Verabschiedung in der ersten Reihe, neben sich seine Frau und auch seine Kinder und Enkel waren dabei. Meiner Erinnerung nach nahm er an diesem Verabschiedungs-Wochenende nur an einer Stelle einen Zettel mit einer vorbereiteten Rede heraus und diese war dem Dank an seine Frau gewidmet. Vielleicht gehört sich das so als Pastor und ist Standard, keine Ahnung … ich fand’s stark und bewegend!

Ich weiß noch nicht genau, was auf meinem Grabstein stehen soll, was auf meiner Beerdigung und der Party danach für Reden geschwungen werden sollen und auch meine Verabschiedung in den Ruhestand ist noch weit entfernt, aber eines weiß ich: Am Ende meines Dienstes möchte ich am liebsten neben meiner geliebten Ehefrau Anne sitzen, meine Kinder sind freiwillig am Start und meine Enkel zerlegen krabbelnd die Kirche! Ich bin Gott dankbar, Pastor zu sein und gleichzeitig noch dankbarer, Ehemann und Vater sein zu dürfen!