Vor kurzem habe ich eine spannede Netflix-Reportage gesehen: „Fyre: The Greatest Party That Never Happened“. Dabei kamen bei mir Fragen auf, wie: Wo schüren wir als Gemeinde / Jugend überhöhte Erwartungen, obwohl wir genau wissen oder im Verlauf der Planung merken, dass wir ihnen nicht gerecht werden? Oder: Wo machen wir schlechte und zurückhaltende Werbung für eine großartige Veranstaltung, weil wir es nicht besser können oder Sorge haben, Erwartungen zu enttäuschen?
Hohe Erwartungen schüren. Klar, gibt es immer eine Spannung. In der Werbung, unseren Vision Talks und Promo Clips beschreiben wir Events und Freizeiten in den buntesten Farben und Superlativen. Gleichzeitig macht es Lust auf etwas, sorgt für Begeisterung und Vorfreunde!
Schwierig wird es aber dort, wo wir, wie beim Fyre-Festival geschehen, die Gourmet-Küche versprechen und heraus kommt ein liebloses ungetoastetes Käse-Sandwich in einer Styropor-Verpackung. (Solche Sandwichbilder gingen viral.)
Ein Beispiel aus unserer Jugend-Norwegen-Freizeit-Werbung 2018:
„Wir könnten Dir von magischen Sommernächten berichten. Über uns: die Sterne, funkeln und durchzogen vom bunten Nordlicht, das geheimnisvoll am Himmel tanzt. Vor uns: im Lagerfeuer verführerisch knisternde Holzscheite. In der Ferne: das archaische Blöken wilder Elchherden, das von einer lang vergessenen Zeit zeugt…“
Auswertung sechs Monate nach der Freizeit: Sterne – gab es – Check! Nordlichter – keine Chance in Südnorwegen! Lagerfeuer – oberste Waldbrandstufe die ganze Zeit. Keine Kerze wurde angezündet. Elche – 84 Personen auf der Freizeit …. keiner hat einen gesehen!
Ein plattes Beispiel, aber trotzdem gab es dieses Norwegen-Natur-Feeling und vieles mehr, was diese Freizeit legendär machte. Bei einer anderen Freizeit „Kroatien mit Surfangebot“ musste ich während der Freizeit den Teilnehmen sagen, dass es nichts wird mit surfen. Schlechte Lage + normaler Wind + semi-gute Surfausrüstung —> Kein Surfen! Das war keine leichter Move, aber der einzig richtige!
Es gibt bei Events Phasen des Träumens, der Vision, der bunten Werbung, in denen man Dinge groß, verrückt und außergewöhnlich denken darf! Aber dann gibt es auch den Punkt, an dem man erkennen muss, das wird nichts. Oder: dieses Element wird nichts und dann kommt es auf klare Ansagen an die Mitarbeiter und das Team an. Hilfreich ist dabei, nicht gleich in der „Visionsphase“ schon mit der Werbung zu beginnen. Man sollte schon in der aktiven Planungs-Phase sein und ein paar Elemente eingetütet haben, bevor man die Werbungs-Offensive startet.
Elisabeth Neuhaus beschreibt diesen Punkt in ihrem Ariktel „Was Gründer aus dem Debakel um das Fyre Festival lernen können“
„Sauber kommunizieren. Wenn sich abzeichnet, dass sich Produkteigenschaften grundlegend ändern werden oder sich ein Plan nicht umsetzen lässt, sollten die Verantwortliche alle wichtigen Ansprechpartner (Kunden, Lieferanten, Behörden etc.) rechtzeitig informieren. Das Fyre Festival ist ein Paradebeispiel für katastrophal schlechte Kundenkommunikation. So löschte das Team negative Kommentare unter Posts und schaltete teilweise die Kommentarfunktion aus.“
Für mich ziehe ich zwei super subjektive Weisheiten aus dem Fyre Festival!
- Mut haben, verrückt zu denken und auch große Projekte anzugehen! Mut haben, Erwartungen zu wecken, etwas öffentlich auch groß zu bewerben, Lust machen auf das Event! Wir tendieren in der Regel in deutschen christlichen Kreisen eher zum sogenannten „geistlichen und demütigen Tiefstapeln“. Seit ein paar Tagen versuche ich, normale Pfadfinderzelte für die nächste Gemeindefreizeit als eine rustikale und romantische Unterkunft anzupreisen.
- Ehrlich und sauber kommunizieren wenn etwas sich anders entwickelt als gedacht, anders als der Traum und die Vision waren. Dann aktiv einzelne Punkte absagen, klarstellen und Erwartungen gerade rücken. Am besten auch Experten in einzelne Fragestellungen einbeziehen, um noch Möglichkeiten zu finden, etwas zu ändern. Bei der Kroatien-Surf-Freizeit wäre es so viel besser gewesen, einen lokalen Surfer einzubeziehen. 🙂